Thursday, June 28, 2012

Enges Höschen

Montagabend in Barce ... äh eben nicht! Noch sind wir 70 Kilometer von Barcelona entfernt und der Bus steht noch immer nicht da. Nach vier heissen Tagen mit Stäubchen, Belle und Konsorten steht diese letzte Dienstreise in diesen zwei Jahren doch noch unter einem schlechten Stern. Ich bestelle Taxis und als diese kommen, kommt auch der Bus. Doch noch. Um neun Uhr geht der Flieger, um acht Uhr müssen wir in Barcelona sein. Auf dem Weg nach Barcelona wird mir klar - das wird ein enges Höschen! 


Eine Handorgel auf der Autobahn lässt mein Herz in die Hose sinken und die Herzen meiner Kollegen wohl stillstehen. Das Höschen wird enger und enger und zu allem Überfluss lädt uns der Busfahrer noch weit weg vom Terminal aus. Jetzt muss es mehr als schnell gehen. Gepäck raus, Beine unter die Arme. Im Laufschritt meiner Nase nach streben wir dem richtigen Terminal zu. Als wir dort ankommen wird unser Flug schon ausgerufen. Als selbsternannter Profi helfe ich meinen Begleitern beim Check-In. Zehn Minuten nach dem ich als Erster zur Tür des Flughafens herein kam gehe ich als Letzter durch die Sicherheitskontrolle. Auf einem Airport vergleichbarer Grösse habe ich sowas noch nie erlebt. Mein Puls senkt sich allmählich. Wir steigen in den Flieger ein und ich nehme in der Nähe von Stäubchen und Belle meinen Platz ein. Auf dem Weg zur Startbahn gibts eine Flughafenrundfahrt der Extraklasse. Mein Puls steigt sogleich wieder.


Völlig unerwartet bekunden auch die Herzdamen in der Reihe hinter mir Interesse an dem, was sich da tut und was da steht und rollt. Wir sind ca. Nummer fünf an der Startbahn, als ich den Damen das Startprozedere erkläre. Eine scharfe Linkskurve über den Strand wird es und Stäubchen hält schon mal den Atem an. Belle fragt nach dem Kopf auf dem Norwegerflieger vor uns. Sie hat einen alten Freund vor sich.


 


Ibsen.

Saturday, June 02, 2012

Sie!

Er hat ein Foto von ihr. Er auch. Und sie hat sie auch schon fotografiert. Aber ich nicht. Mein Selbstwertgefühl ist im Keller, nichts kriege ich mehr hin. Dabei ist sie so geil. Ihre inneren Werte sind unbestritten top, doch ihr Äusseres ist noch einmal eine Klasse für sich. Ihre säuselnde Stimme, ihre zart geschwungenen Linien, alles an ihr macht mich an. Lange hatte ich gehofft, dass sie auf mich zukommen würde, wie dies viele andere auch schon getan hatten. Doch dieses Foto muss ich mir wohl ein wenig härter verdienen. Dieses Mal ist es an mir, auf sie zuzugehen. Ich versuche mein Glück in London, denn dort wurde sie zuletzt gesehen. Praktisch jeden Tag zur selben Zeit soll sie an der selben Tankstelle aufgetaucht sein. Ich frage mich zu jener BP-Tanke im Südwesten Londons durch und glaube Glück zu haben. Doch als sich pünktlich mittags die Ladentür zum x-ten Mal öffnet steht wieder nur ein biertrinkender Engländer auf der Schwelle. Ein von Foto von ihm? Nein, danke! Als ich nach Hause komme, fühle ich mich gemobbt. Nicht nur ist es so, dass ich mein Foto nicht bekommen habe. Nein, ich werde wiederum verfolgt von Gestalten, die meinen, mir ihre Fotos von ihr unter die Nase reiben zu müssen. Warum sollen die alle ihre Befriedigung haben und ausgerechnet ich nicht? Ein Foto jagt das andere, eines schöner als das andere und überall ist sie drauf. Die Leute, die ich meine Freunde nenne werden immer mehr zu meinen Feinden. Ich bin verbittert, aber immer noch geil - auf sie! Wieder erreichen mich gut gemeinte Tipps, ich solle es doch mal in Paris probieren. Offenbar hat sie ein Flair für grosse Städte. War ja eigentlich klar, denn ich wohne in einer Kleinstadt, da bewegt sie ihren Hintern bestimmt nie her. Ich setze mich in den TGV, mahle ein Croissant und schlürfe meinen Kaffee auf dem Weg durch das ewig schöne Frankreich. Doch was da draussen vor sich geht kann mir heute nichts anhaben. Die Musik auf dem iPod, meine alten Fotos auf dem Laptop, nichts gefällt mir heute. Heute zählt für mich nur eins - sie! Ich stehe in Paris am Strassenrand, warte darauf, dass sie irgendwann einmal daher kommen mag, damit ich endlich mein Foto von ihr bekomme. Passanten starren mich an, gefühlte hundert Polizeiautos fahren vorbei. Das hundertunderste hält an. "Vos papiers s'il vous plaît!". Ich zeige den Gendarmen meine Papiere. Doch das reicht ihnen nicht. Sie wollen wissen worauf ich aus bin. "J'aimerais faire une photo d'elle" kriege ich auf Französisch gerade so knapp noch über die Lippen. "Photo? C'est Interdikt! No Photo!" Die Ausdrucksweise der Gendarmen ist nicht Deutsch aber immerhin deutlich. Sie geben mir zu verstehen, dass ich es vergessen soll. Auf der Heimfahrt betrinke ich mich mit Rotwein und bin mir sicher - wären die Bullen nicht gekommen, ich hätte jetzt mein Foto von ihr. Nun will ich es erst recht wissen. Ich besorge mir jede erdenkliche Information über sie, die ich gerade bekommen kann. Ich bin noch immer an meiner Recherche, als es draussen schon wieder taghell ist. Sie ist berühmt auf der ganzen Welt, doch wie ich erfahre, war ich bislang auf der falschen Fährte. London scheint ihr zwar zu gefallen und Paris findet sie auch ganz nett. Aber eigentlich soll sie in Abu Dhabi daheim sein. Bei den Schönheiten dieser Welt scheint dies heutzutage in Mode zu sein. Aber als einfacher Mann sehe ich da einfach keine Chance. Wie soll ich ausgerechnet in Abu Dhabi zu meinem Foto von ihr kommen? Zum x-ten Mal packe ich meine Siebensachen. Meine Kameras, meine Objektive, Speicherkarten, Filme, die Sonnencreme mit Schutzfaktor 60 und ein geklautes Foto von ihr. Man will sich in einem Land, in dem alles verschleiert ist ja schliesslich zu ihr durchfragen können. Ehrlich gesagt frage ich mich, ob sie in der Wüste denn auch eine so gute Figur abgeben würde. Die trockene Luft und der Sandstaub hätten ihr doch bestimmt etwas anhaben können. Ich schaue mich umgehend wieder das geklaute Foto an. Sie sieht einfach perfekt aus, wie soll ihr irgendjemand auch nur irgendetwas anhaben können? Und überhaupt, wenn ich jetzt nicht mein eigenes Foto von ihr bekommen sollte, hat mein Leben denn noch einen Sinn? Beim Anwesen ihrer Familie lege ich mich auf die Lauer, aber nicht für lange. Innert Minuten grinsen mich vier Araber und ebenso viele Sturmgewehre an. Mit Händen und Füssen versuche ich mich zu erklären. Klar, nicht jeder und schon gar nicht jede ist gleich scharf darauf, fotografiert zu werden, aber diese Herren verstehen mich irgendwie nicht. Womöglich liegt das an meinem schlechten Arabisch. Höchstwahrscheinlich hatten sie aber einfach nicht gleich viel für sie übrig für sie wie ich. Andere Länder, andere Sitten. Nach dieser Nahtoderfahrung gönne ich mir zwei Wochen Urlaub auf den Seychellen. Die sind etwa gleich weit entfernt von ihrem Zuhause wie Mallorca von mir daheim. Die Kamera liegt immer schussbereit in der Tasche. Man weiss ja nie, wenn sie plötzlich auftauchen sollte. Die zwei Woche vergehen, es tut sich rein gar nichts. Ich verfärbe mich äusserlich erst rot und dann braun, innerlich grün und blau. Der Heimflug ist eine Qual, denn im arabischen Flieger gibt es keinen Alkohol. Die Heimreise à la Paris fällt aus und dennoch geht es mir schlimmer als im damaligen Zustand. Ich sehne mir einen Absturz herbei, denn so kann es nicht weiter gehen. Verbittert und verkatert lege ich mich daheim in die Wiese, beschliesse, ein paar Vögel zu knipsen. Da taucht sie im schönsten Licht am Himmel direkt vor mir auf. Mein Leben hat wieder einen Sinn!